Eine neue jüdische Gemeinde

 © Thomas Fatzinek Die Geiselnahme von Marchegg
Die Geiselnahme von Marchegg
© Thomas Fatzinek

Trotz der Nazi-Verbrechen gibt es heute wieder eine lebendige jüdische Gemeinde in Wien. Auch diese Geschichte berührt den Mexikoplatz.

Nach der Nazi-Herrschaft waren von den 185.000 Wiener Jüdinnen und Juden nur wenige Tausend am Leben. Damals schlug die jüdische Hilfsorganisation JOINT ihre Zentrale in der Leopoldstadt auf, um jüdischen Überlebenden zu helfen. Trotz aus Osteuropa ankommender jüdischer Flüchtlinge wurde die Gemeinde eher noch kleiner, weil viele der Überlebenden nach Israel oder in andere Länder auswanderten. Aber einige Rückkehrer – darunter auch Kommunist_innen, die in Mexiko überlebt hatten – siedelten sich rund um den Prater an, weil der Zweite Bezirk eine „russische Zone“ war.

Leider gab es aber auch in der Sowjetunion schlimmen Antisemitismus und so setzten sich ab den 1960er Jahren jüdische Oppositionelle in der Sowjetunion für die Möglichkeit einer Emigration nach Israel ein. Da seit dem Sechstagekrieg von 1967 keine diplomatischen Beziehungen oder direkte Reiseverbindungen zwischen den beiden Ländern bestanden, fungierte unter anderem Österreich als Zwischenstation.

Die jüdischen Auswanderer_innen erreichten Österreich an der Bahnstation von Marchegg, wenige Kilometer von Bratislava. Von dort kamen sie in ein Transitlager im Schloss Schönau und reisten dann weiter. Manche blieben jedoch in Österreich, ließen sich unter schwierigen Bedingungen hier nieder und trugen zum Neuaufbau der jüdischen Gemeinde in der Leopoldstadt bei. Und Einige siedelten sich am Mexikoplatz an.

Unser Bild zeigt eine dramatische Episode dieser Geschichte: Im September 1973 nahm ein palästinensisches Terrorkommando drei Emigrant_innen und einen Zollbeamten als Geiseln, um das Ende des österreichischen Transits nach Israel zu erpressen. Obwohl Bundeskanzler Kreisky den Forderungen zunächst nachgab, blieb Österreich aber Durchgangsland für sowjetische Auswanderung nach Israel. Und immer wieder blieben Menschen in Wien.